Donnerstag, 27. Dezember 2012

Geschichte im Thriller: Dominique Manotti

Sie arbeitete als Historikerin, war Funktionärin der sozialistischen Gewerkschaft CFDT und schreibt seit einigen Jahren die wohl besten Politthriller Europas: Dominique Manotti. Am 24. Dezember wurde die Französin 70 Jahre alt.

Klein, angegrautes Haar, blaue Augen in einem fast faltenlosen Gesicht, das gerne lacht. Wer Dominique Manotti nicht kennt, dürfte kaum glauben, dass diese nette ältere Dame die derzeit wohl besten Politthriller schreibt. Furiose Spannungsromane, die gespickt sind mit Action, überraschenden Wendungen und all den Zutaten, die einen das Buch nicht aus der Hand legen lassen. Dabei exzellent geschrieben, mit Sinn für Stil, Rhythmik und präzise Dialoge.

Jeder Roman der vielfach preisgekrönten Autorin ist eine Momentaufnahme aus der jüngeren französischen Geschichte, die historische Wahrheit, soziale Realität und literarische Fiktion verbindet. Darin ähnelt Manottis Werk dem ihres literarischen Vorbilds James Ellroy (Underworld USA“) ohne jedoch die Manierismen des US-Autors zu kopieren. Das zeigte schon der Debütroman der damals 53-Jährigen: Hartes Pflaster“ (1995) spielt im Milieu der in Frankreich Sans-Papiers genannten illegalen Immigranten, die für Aufenthalts- und Arbeitserlaubnisse kämpfen.

Geschichtsschreibung im Thrillerformat, hart, desillusioniert, analytisch das ist auch Roter Glamour“ (2001), Manottis schonungsloses Porträt der Mitterand-Ära. Hier zeichnet die Autorin das Panorama einer hemmungslosen Politikerkaste, die sich korrupter Polizisten und Geheimdienstler bedient, aber auch vor der Zusammenarbeit mit Gangstern nicht zurückschreckt.

Das schwarze Korps“ (2004) springt in die letzten Tage der deutschen Besetzung Frankreichs. Hier entmystifiziert die gebürtige Pariserin die Befreiung der französischen Hauptstadt als chaotischen Zusammenbruch der Ordnungsmacht, den französische Gestapo-Kollaborateure zu brutalen Raubzügen ausnutzen um sich für einen guten Start in eine neue Ära auszustatten.

2006 folgte Letzte Schicht“: Wohl nirgendwo sonst ist es einem Autor gelungen, anhand eines Streiks in einer kleinen Fabrik der französischen Provinz große Wirtschaftspolitik zu erklären. Hintergrund ist die Privatisierung des französischen Thomson-Rüstungskonzerns in den neunziger Jahren. In Einschlägig bekannt“ (2010) schildert die Autorin den Aufstand der Jugendlichen in den Banlieues genannten Vorstädten von Paris. Ihnen stehen zumeist rassistische Polizisten gegenüber, die ihre Gewaltexzesse durch rechtskonservative Karrieristen in Polizeiführung und Politik gedeckt sehen Sarkozy lässt grüßen.

Die ehrenwerte Gesellschaft“ (2011) schließlich, ein Gemeinschaftswerk mit dem unter Pseudonym veröffentlichenden Drehbuchautor DOA, spielt im Vorfeld des jüngsten Präsidentschaftswahlkampfs. Die Skrupellosigkeit, die die Autoren den Spitzenpolitikern ihres Landes hier attestieren, dürfte alle erblassen lassen, die unser Nachbarland immer noch gern mit dem Schleier einer Toujours liberté“-Romantik verklären.

Das Handwerkszeug zur Recherche ihrer Stoffe beherrscht die Autorin aus dem Effeff. Manotti studierte von 1960 bis 1966 an der Sorbonne Geschichtswissenschaften, wurde 1969 Assistentin für neuzeitliche Wirtschaftsgeschichte in Vincennes und forschte zuletzt an der Universität Paris VIII in Saint-Denis.

Die Objektivität der Wissenschaftlerin bedeutet aber nicht, dass ihre Romane nicht parteiisch wären: Manottis Sympathie gilt stets denen, die sich den Zentralen der Macht widersetzen, den Arbeitern, den Immigranten, den scheinbar Machtlosen. Hier zeigt sich die von der 68er-Bewegung geprägte Funktionärin der sozialistischen Gewerkschaft CFDT, die sich aus Enttäuschung über die Politik Mitterands aus der Politik zurückzog und ins literarische Fach wechselte.

Dennoch lässt sich Manotti nie dabei erwischen, dem Bedürfnis des Lesers nach einfachen Erklärungen entgegenzukommen. Pauschalisierendes Schwarz-Weiß ist ihre Sache nicht, niemand ist je nur gut oder nur böse. Sicher, es gibt sie auch hier: die Monster, die Fieslinge, diejenigen, die immer groß absahnen und stets zu den Gewinnern gehören. Und auf der anderen Seite sind da die Helden, die Verlierer, die Opfer und die vielen, die gerade noch mal davonkommen. Doch gestattet Manotti jeder Figur Zwischentöne, verstörende Widersprüche, eben das, was nicht ins Bild passt. Vielleicht macht gerade dies die besondere Klasse dieser Autorin aus. Am vergangenen Montag wurde Dominique Manotti 70 Jahre alt.

Dominique Manotti, "Das schwarze Korps" (Argument ariadne, 280 Seiten, 17,90 Euro)

Erschienen in der Nordsee-Zeitung, 22. 12. 2012, S. 6

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