Sie arbeitete als Historikerin, war Funktionärin
der sozialistischen Gewerkschaft CFDT und schreibt seit einigen Jahren die wohl
besten Politthriller Europas: Dominique Manotti. Am 24. Dezember wurde die
Französin 70 Jahre alt.
Klein, angegrautes Haar, blaue Augen in
einem fast faltenlosen Gesicht, das gerne lacht. Wer Dominique Manotti nicht
kennt, dürfte kaum glauben, dass diese nette ältere Dame die derzeit wohl besten
Politthriller schreibt. Furiose Spannungsromane, die gespickt sind mit Action,
überraschenden Wendungen und all den Zutaten, die einen das Buch nicht aus der
Hand legen lassen. Dabei exzellent geschrieben, mit Sinn für Stil, Rhythmik und
präzise Dialoge.
Jeder Roman der vielfach preisgekrönten
Autorin ist eine Momentaufnahme aus der jüngeren französischen Geschichte, die
historische Wahrheit, soziale Realität und literarische Fiktion verbindet. Darin
ähnelt Manottis Werk dem ihres literarischen Vorbilds James Ellroy („Underworld
USA“) – ohne jedoch die Manierismen des US-Autors zu kopieren.
Das zeigte schon der Debütroman der damals 53-Jährigen: „Hartes Pflaster“
(1995) spielt im Milieu der in Frankreich Sans-Papiers genannten illegalen
Immigranten, die für Aufenthalts- und Arbeitserlaubnisse kämpfen.
Geschichtsschreibung im Thrillerformat,
hart, desillusioniert, analytisch – das ist auch „Roter Glamour“ (2001),
Manottis schonungsloses Porträt der Mitterand-Ära. Hier zeichnet die Autorin das
Panorama einer hemmungslosen Politikerkaste, die sich korrupter Polizisten und
Geheimdienstler bedient, aber auch vor der Zusammenarbeit mit Gangstern nicht
zurückschreckt.
„Das schwarze
Korps“ (2004) springt in die letzten Tage der deutschen Besetzung Frankreichs.
Hier entmystifiziert die gebürtige Pariserin die Befreiung der französischen
Hauptstadt als chaotischen Zusammenbruch der Ordnungsmacht, den französische
Gestapo-Kollaborateure zu brutalen Raubzügen ausnutzen – um sich für einen
guten Start in eine neue Ära auszustatten.
2006 folgte „Letzte Schicht“: Wohl
nirgendwo sonst ist es einem Autor gelungen, anhand eines Streiks in einer
kleinen Fabrik der französischen Provinz große Wirtschaftspolitik zu erklären.
Hintergrund ist die Privatisierung des französischen Thomson-Rüstungskonzerns in
den neunziger Jahren. In „Einschlägig bekannt“ (2010) schildert die Autorin den
Aufstand der Jugendlichen in den Banlieues genannten Vorstädten von Paris. Ihnen
stehen zumeist rassistische Polizisten gegenüber, die ihre Gewaltexzesse durch
rechtskonservative Karrieristen in Polizeiführung und Politik gedeckt
sehen – Sarkozy lässt grüßen.
„Die
ehrenwerte Gesellschaft“ (2011) schließlich, ein Gemeinschaftswerk mit dem unter
Pseudonym veröffentlichenden Drehbuchautor DOA, spielt im Vorfeld des jüngsten
Präsidentschaftswahlkampfs. Die Skrupellosigkeit, die die Autoren den
Spitzenpolitikern ihres Landes hier attestieren, dürfte alle erblassen lassen,
die unser Nachbarland immer noch gern mit dem Schleier einer „Toujours
liberté“-Romantik verklären.
Das Handwerkszeug zur Recherche ihrer
Stoffe beherrscht die Autorin aus dem Effeff. Manotti studierte von 1960 bis
1966 an der Sorbonne Geschichtswissenschaften, wurde 1969 Assistentin für
neuzeitliche Wirtschaftsgeschichte in Vincennes und forschte zuletzt an der
Universität Paris VIII in Saint-Denis.
Die Objektivität der Wissenschaftlerin
bedeutet aber nicht, dass ihre Romane nicht parteiisch wären: Manottis Sympathie
gilt stets denen, die sich den Zentralen der Macht widersetzen, den Arbeitern,
den Immigranten, den scheinbar Machtlosen. Hier zeigt sich die von der
68er-Bewegung geprägte Funktionärin der sozialistischen Gewerkschaft CFDT, die
sich aus Enttäuschung über die Politik Mitterands aus der Politik zurückzog und
ins literarische Fach wechselte.
Dennoch lässt sich Manotti nie dabei
erwischen, dem Bedürfnis des Lesers nach einfachen Erklärungen entgegenzukommen.
Pauschalisierendes Schwarz-Weiß ist ihre Sache nicht, niemand ist je nur gut
oder nur böse. Sicher, es gibt sie auch hier: die Monster, die Fieslinge,
diejenigen, die immer groß absahnen und stets zu den Gewinnern gehören. Und auf
der anderen Seite sind da die Helden, die Verlierer, die Opfer und die vielen,
die gerade noch mal davonkommen. Doch gestattet Manotti jeder Figur
Zwischentöne, verstörende Widersprüche, eben das, was nicht ins Bild passt.
Vielleicht macht gerade dies die besondere Klasse dieser Autorin aus. Am
vergangenen Montag wurde Dominique Manotti 70 Jahre alt.
Dominique Manotti, "Das schwarze Korps" (Argument ariadne, 280 Seiten, 17,90 Euro)
Erschienen
in der Nordsee-Zeitung, 22. 12. 2012, S. 6
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