Sonntag, 7. August 2011

C. J. Box ("Blutschnee"), Malla Nunn ("Lass die Toten ruhen"), Norbert Horst ("Splitter im Auge"), Martin Suter ("Allmen und der rosa Diamant"): Kroegers Krimitipp Juli 2011

Zunächst eine Vorbemerkung in eigener Sache: Eine aufmerksame Krimitipp-Leserin, die Bremerhavener Übersetzerin Hedwig M. Binder, hat zu Recht moniert, dass viel zu häufig die Namen derjenigen ungenannt bleiben, die fremdsprachige Literatur ins Deutsche übertragen. Dabei sind gerade sie es, deren Sprachgefühl nicht unwesentlich zum Lesegenuss beiträgt. Ein Roman kann im Original noch so gut sein – ist die Übersetzung schlecht, taugt das Buch oft nur für die Tonne. Wir geloben Besserung.

Dass nicht zu teuren Hardcovern greifen muss, wer lohnende Lektüre sucht, ist für Aficionados des Genres ein alter Hut. Bestes Beispiel: die jetzt bei Heyne erscheinende Joe-Pickett-Serie des Amerikaners C. J. Box. Wie seine Vorgänger ist auch „Blutschnee“ (414 Seiten, 8,99 Euro; Original: „Winterkill“, 2003) ein Juwel, das in der Fülle der Taschenbuch-Neuausgaben nicht untergehen sollte. Der von Andreas Heckmann ins Deutsche übertragene Thriller spielt vor der idyllischen Kulisse der Big Horn Mountains von Wyoming, ist aber alles Andere als ein romantisierender Western-Abklatsch. Im Gegenteil: Statt Ranchern, Cowboys und Holzfällern bestimmen fanatische Regierungshasser, durchgeknallte FBI-Leute und karrieregeile Beamte der bundesstaatlichen Forstverwaltung das Geschehen. Mittendrin: der Jagdaufseher Joe Pickett, eine moralisch integre, aber keineswegs eindimensional gezeichnete Persönlichkeit. Pickett versucht, einen systembedingt auf die Katastrophe zusteuernden Konflikt zwischen Outlaws und Bürokratie aufzuhalten. Vergeblich: Was an die Tragödie von Waco erinnert, wird für den verzweifelnden Wildhüter zur Hölle auf Erden und mündet in der alten Frage nach Recht und Gerechtigkeit … C. J. Box wurde international mit Preisen überhäuft. Wer geerdete, souverän geplottete und doch angenehm unprätentiös daherkommende Kriminalromane mag, sollte sich seinen Namen merken.

Gleiches gilt für die aus Swasiland stammende Australierin Malla Nunn, die vor zwei Jahren mit einem gelungenen Romandebüt („Ein schöner Ort zu sterben“) auf sich aufmerksam machte. Jetzt ist mit „Lass die Toten ruhen“ (Rütten & Loening, 383 Seiten, 19,95 Euro; Original: „Let the Dead lie“, 2010, Übersetzung: Armin Gontermann) der zweite Kriminalroman mit dem südafrikanischen Ex-Cop Emmanuel Cooper erschienen. Wir schreiben das Jahr 1953, die National Party ist erst wenige Jahre an der Macht und überzieht das Land mit ihrem Apartheidsregime. Cooper musste den Polizeidienst quittieren, hat seinen Status als Weißer verloren und ist von Johannesburg nach Durban gezogen, wo er sich als Arbeiter im Hafen durchschlägt. Auch Major van Niekerk, Coopers ehemaliger Vorgesetzter, wurde in die Metropole am Indischen Ozean versetzt. Der clevere Polizeioffizier feilt an seiner Karriere – mithilfe belastender Informationen über korrupte Beamte, die ihm Cooper durch nächtliche Observationen besorgen soll. Eine nicht mal halblegale Kooperation, die einer harten Belastungsprobe unterzogen wird, als Cooper von örtlichen Cops wegen Mordverdachts einkassiert wird. Irgendwie gelingt es van Niekerk, ihm eine Gnadenfrist von 48 Stunden zu beschaffen, um die wahren Mörder zu finden. Indische Gangster, schwarze Zuhälter, weiße Rassisten: Das in Frage kommende Personal ist bunt gemischt. Und dass Cooper erneut dem allgegenwärtigen Geheimdienst in die Quere kommt, macht das Ganze auch nicht einfacher … Nunns atmosphärisch aufgeladener Roman orientiert sich an klassischen Vorbildern, findet aber zu einer eigenen Handschrift. Als Hard-boiled-Roman, als in den Kontext des Kalten Kriegs eingebetteter Spionagethriller, vor allem aber als Porträt eines menschenverachtenden Gesellschaftssystems. Beeindruckend!

An einer neuen Handschrift hat sich Norbert Horst versucht – und das mit überraschendem Erfolg. Der hier mehrfach für seine intensiven Polizeiromane gerühmte Autor gönnt uns eine Pause vom Stream-of-consciousness-Stil seiner vier KK-Kirchenberg-Romane („Leichensache“, „Todesmuster“, „Blutskizzen“, „Sterbezeit“). „Splitter im Auge“ (Goldmann Taschenbuch, 349 Seiten, 8,99 Euro) ist ein eher traditionell wirkender Kriminalroman mit personalem Erzähler, der mit dem Dortmunder Kripo-Mann Thomas Adam, genannt „Steiger“, auch eine neue Hauptfigur präsentiert. Steiger ist unbequem und wurde deshalb in den Einsatztrupp abgeschoben. Dennoch oder gerade deshalb entgehen ihm nicht die Ungereimtheiten in der vermeintlich gelösten Mordsache eines halbwüchsigen Mädchens – die Indizienlage ist erdrückend und reicht zur Verurteilung eines afrikanischen Asylbewerbers. Steiger lässt nicht locker und stößt auf ähnliche, ebenfalls scheinbar klare Fälle … Eingebettet ist die Haupthandlung in eine lange zurückliegende Familientragödie, deren Schuld-und-Sühne-Dynamik verheerende Konsequenzen zeitigt. Beide Erzählstränge sind psychologisch stimmig und mit viel Fingerspitzengefühl entwickelt. Wie es dem im bürgerlichen Leben als Kripo-Mann arbeitenden Bielefelder gelingt, selbst den Nebenfiguren Tiefe zu geben, zeigt das außergewöhnliche Können dieses Autors. Dass das Ganze mit subtilem Humor und viel Ruhrpott-Atmosphäre gewürzt ist, steigert das Lesevergnügen zusätzlich. Da verzeihen wir es dem Autor auch, partout mit einem Happy End schließen zu müssen. Sei’s drum.

Zum Schluss noch etwas ganz besonders Erfreuliches: Martin Suter hat den Schweizer Gentleman-Detektiv Allmen und sein geniales Faktotum Carlos in ein neues Abenteuer gestürzt. „Allmen und der rosa Diamant“ (Diogenes, 218 Seiten, 18,90 Euro) hat Stil, Charme, Witz. Eben alles, was Suter-Fans erwarten. Eine locker-leichte Lektüre zum Wegschlürfen. Am besten bei einem Singapore-Sling, wie er vom Meister des Savoir-vivre-Krimis bevorzugt wird. Cheers!

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