Montag, 19. September 2011

Pete Dexter, "Deadwood": So wa(h)r der Wilde Westen ...

Dass der Wilde Westen nicht so war, wie uns „Bonanza“, „Rauchende Colts“ und John-Wayne-Filme glauben machen wollten, wissen wir schon länger. Pete Dexters 1986 erschienener, von Kathrin Bielefeldt und Jochen Bürger ins Deutsche übertragener Roman „Deadwood“ (Liebeskind, 448 Seiten, 22 Euro) belegt dies aufs Drastischste. Denn das gleichnamige Drecksnest im Dakota-Territorium hat so gar nichts Romantisches an sich. In den Straßen versinkt man knöcheltief im Morast, ungewaschene Huren stinken meilenweit gegen den Wind, glücklose Goldgräber ertränken ihr Elend im Schnaps. Ganz zu schweigen von der rassistischen Arroganz noch des verlumptesten Weißen gegenüber chinesischen Einwanderern und den ihres Landes beraubten Indianern. Armut, Krankheit, Gewalt prägen eine düstere Atmosphäre, die durch die unterkühlt-lakonische Erzählweise umso bedrohlicher wirkte, hätte Dexter (Jahrgang 1943) nicht auch Gespür für die komischen Momente des Lebens. „Deadwood“ ist ein epischer Roman – prall gefüllt mit Geschichten von Menschen aus Fleisch und Blut. Nicht immer appetitlich, aber historisch korrekt und selbst in den größten Derbheiten stilsicher. Die Hauptstory selbst beruht übrigens auf wahren Ereignissen und ist akribisch recherchiert: Es geht um das blutige Ende des alternden Revolverhelden „Wild Bill“ Hickok und den Brand, der Deadwood auslöschte. Doch was am Ende noch stärker im Gedächtnis bleibt, sind die Geschichte einer den Tod überdauernden Freundschaft und einer sich in Vergeblichkeit erfüllenden Liebe. „Er hatte sein eigenes Leben, und er hat es unvollendet gelebt. So etwas gibt es, bei Menschen und bei Orten … Es ist nicht das, was am Ende noch zu tun ist, es sind vielmehr die Dinge, die unterwegs unvollendet geblieben sind“, sagt Hickoks Witwe.  „Deadwood“, so viel steht fest, ist nicht unvollendet geblieben.

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