Sonntag, 23. Dezember 2012

Rock Candy Baby by Dick Contino



"Zeitmaschine mit Raketenantrieb ...
Die Geschichte dreht sich um den Trucker/Rennfahrer/Sänger Phil 'Daddy-O' Sandifer, der den Mord an seinem besten Freund aufzuklären versucht, was dadurch erschwert wird, dass man ihm den Führerschein entzogen hat. Phils Kumpels 'Peg' und 'Duke' wollen ihm helfen, sind dazu aber viel zu benebelt, weil sie sich die Nächte im Rainbow Gardens um die Ohren schlagen, einem Halbstarkentreff, wo Phil gratis und auf Zuruf Doo-Wop-Schnulzen schmettert. Egal: Daddy-O lernt die aufreizende Jana Ryan kennen, ein Mädchen aus gutem Hause mit gültigem Führerschein und einem 57er T-Bird-Cabrio. Aus gegenseitiger Abneigung wird sexuelle Anziehung; Phil und Jana tun sich zusammen und verdingen sich zum Schein im Nachtclub des zwielichtigen Fettsacks Sidney Chillis. Der Sänger Daddy-O und das Zigarettenmädchen Jana, ein ebenso attraktives wie schlagkräftiges Duo. Sie kommen schnell dahinter, dass Chillis Big 'H' verdealt, ste...llen ihm eine Falle und kaufen sich den Dickwanst wegen des Mordes an Phils bestem Freund. Das Ganze gipfelt in einer wilden Verfolgungsjagd; bleibt die brennende Frage: Wird Daddy-O als Lohn für seinen Wagemut den Führerschein zurückbekommen?
Wer weiß?
Was soll's?
Ich musste mir den Streifen ohnehin dreimal ansehen, um den Inhalt halbwegs korrekt wiedergeben zu können.
Weil Dick Contino mich in seinen Bann schlug.
Weil ich - instinktiv - wusste, dass er die entscheidenden Antworten parat hatte.
Weil mir klar wurde, dass er wie ein unsichtbarer Geist über meinem 'Quartett' von L.A.-Romanen schwebte, ein Phantom, das endlich sprechen wollte.
Weil ich spürte, dass er mir tonnenweise Hintergrundmaterial liefern, meine Erinnerungslücken schließen und auf diese Weise ein gestochen scharfes Bild der Stadt Los Angeles in den späten 50ern zeichnen konnte.
Weil ich zu erkennen glaubte, dass sich Rolle und Privatperson von 1957 in weiten Teilen deckten, ein Gemisch, das in den vergangenen fast fünfunddreißig Jahren an Sprengkraft vermutlich noch gewonnen hatte.
Contino auf der Leinwand: ein hübscher Italiener Ende zwanzig mit strammem Bizeps, entweder vom Hanteltraining oder dem Liebesspiel mit seinem Akkordeon. Ein Bilderbuch-Mädchenschwarm: strahlend weiße Zähne, dunkle Locken, sympathisches Lächeln. Trotzdem leidet er unter den modischen Verirrungen der 50er: bis unter die Achselhöhlen hochgezogene Röhrenhosen, quergestreifte Ban-Lon-Hemden. Er sieht gut aus und kann singen; mit 'Rock Candy Baby' hat er Schwierigkeiten - der Text ist beschissen, und swingende Uptemponummern wie diese liegen ihm ganz offensichtlich nicht -, aber bei dem Schubidu-Schmachtfetzen 'Angel Act' - einem Song über den klassischen Loser, der einer 'Noir'-Göttin verfallen ist, die sein Leben in Schutt und Asche legen wird - tropft ihm buchstäblich der Schmalz von den Stimmbändern, so sterbensschön lässt er seinen Bariton vibrieren.
Schauspielern kann er auch: Er ist offenkundig ein Naturtalent und fühlt sich vor der Kamera wohl. Irre: Wenn er den Mund aufmacht, werden aus schauderhaften immerhin mittelmäßige Dialoge.
Und er ist stolz darauf, in 'Daddy-O' die Hauptrolle zu spielen - er schämt sich weder für das Drehbuch noch für seine Partner oder einen Text wie: 'Rock Candy Baby, that's what I call my chick! Rock Candy Baby, sweeter than a licorice stick!' -, obwohl er nach dem bisschen, was ich über ihn weiß, auf der Karriereleiter schon mal ein paar Sprossen höher stand.
Ich beschloss, Dick Contino ausfindig zu machen."
James Ellroy, "Schatten der Vergangenheit", in: James Ellroy, "Hollywood, Nachtstücke"

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