Donnerstag, 8. August 2013

Krimikalender

Erik Schäffler liest aus Chandlers "Der große Schlaf", Dienstag, 27. August, 20 Uhr, Speicherstadt Kaffeerösterei, Kehrwieder 5, 20457 Hamburg

Aus der Ankündigung:
"Im Juli wäre Raymond Chandler 125 Jahre alt geworden. Schwierig, sich vorzustellen, wie die Kriminalliteratur ohne ihn aussehen würde. Mitte 30 war er, ein in der großen Wirtschaftskrise arbeitslos gewordener Geschäftsmann in Sachen Öl, als er 1932 zu schreiben begann. Sein erster Roman, "The Big Sleep", erschien 1939. Erstmals trat hier der Privatdetektiv Philip Marlowe auf, unsterblich gemacht von Humphrey Bogart… Grund genug, ihn endlich wieder einmal zu lesen - und ausführlich über sie zu sprechen, Marlowe und Chandler.
Erik Schäffler, Schauspieler, Sprecher, Theaterautor und Theaterregisseur schuf mit "Musterschüler" die erste deutschsprachige Theaterbearbeitung eines Stephen King-Stoffes; er war etliche Male im Fernsehen zu sehen, ist auf allen Hamburger Bühnen zu Gast - und spielt, passend zum Thema, seit 1994 den "Teufel" im "Hamburger Jedermann" …"
Alles Infos gibt's auch hier: www.schwarzenaechte.de


Passend zum Thema unser Chandler-Text aus der Nordsee-Zeitung vom 22. Juli:


Ein Engel in der Gosse
„Der Größte“, „der Beste“, „ein Engel in der Gosse“: Seine Schriftstellerkollegen verehren ihn hymnisch. Am morgigen Dienstag feiert die Krimiwelt den 125. Geburtstag von Raymond Chandler.

Ein im Rollstuhl sitzender General beauftragt einen Detektiv, weil seine Tochter erpresst wird. Ein gefährlicher Job: Kaum, dass sich der Ermittler der Sache angenommen hat, stolpert er schon über die erste Leiche. Es geht nicht nur um Nacktfotos, auch Drogen, Glücksspiel und viel Geld sind im Spiel. Und dann hat der General noch eine zweite Tochter, die man in der Halbwelt von Los Angeles ebenfalls ganz gut kennt …
Wem das irgendwie bekannt vorkommt, hat Raymond Chandlers (1888 – 1959) Krimiklassiker „Der große Schlaf“ gelesen oder – was wahrscheinlicher ist – eine seiner Verfilmungen mit dem unvergesslichen Humphrey Bogart („Tote schlafen fest“, 1946, mit Lauren Bacall) oder auch Robert Mitchum (1979) gesehen. Der 1939 erschienene Roman war das erste Werk Chandlers mit dem schlagfertigen Melancholiker Philip Marlowe, der zur Ikone des hartgesottenen („hard-boiled“) Privatdetektivs werden und Generationen von Kriminalschriftstellern beeinflussen sollte.

Chandler, 1888 in Chicago geboren, wuchs in Europa auf – seine Mutter, eine Irin, war mit dem Sohn nach London gezogen, nachdem sie von Chandlers Vater verlassen worden war. Beamter im  britischen Marineministerium, Journalist, Buchhalter, Soldat der kanadischen Air Force, Vize-Direktor einer Ölfirma in Kalifornien – das waren Chandlers berufliche Stationen, bevor der lebenslang mit dem Alkohol kämpfende Moralist Anfang der 30er Jahre wegen Sauftouren und Frauengeschichten seinen Job zu vernachlässigen begann und schließlich entlassen wurde.
Chandler schrieb nun erste Kriminalgeschichten und veröffentlichte sie im legendären Pulpmagazin „Black Mask“, in dem schon Dashiell Hammett debütiert hatte.  Fingerübungen sozusagen, die noch kein Geld brachten, aber schon die stilistische Brillanz des späteren Romanautors erahnen lassen. Dann, 1939, der erste große Aufritt von Philip Marlowe  („Der große Schlaf“) – und gleich ein Meisterwerk.

Wer ist nun dieser Philip Marlowe? „Ich habe eine Lizenz für private Ermittlungen und betreibe das Geschäft schon ziemlich lange. Ich bin ein Einzelgänger, mittleren Alters und nicht reich. Ich habe schon mehrmals gesessen, und ich übernehme keine Scheidungsfälle“, stellt sich Chandlers berühmter Privatdetektiv selbst vor. Seine wichtigsten Eigenschaften – moralische Integrität und mangelnder Respekt vor Macht und Geld – deutet er nur an, seine Schwäche für Whiskeyflaschen und femmes fatales verschweigt er ganz.
Klar, dass so ein Mann, der es mit den Schattenseiten des sonnigen Los Angeles zu tun bekommt, sich dabei aber – im Gegensatz zu vielen seiner Berufskollegen – nie auf krumme Dinger einlässt, auf keinen grünen Zweig kommt: „Ich brauchte einen Drink, ich brauchte eine hohe Lebensversicherung, ich brauchte Urlaub, ich brauchte ein Häuschen auf dem Land. Was ich hatte, waren eine Jacke, ein Hut und eine Pistole.“

Auf „Der große Schlaf“ folgten sechs weitere Philip-Marlowe-Romane:  „Lebwohl, mein Liebling“ (1940), „Das hohe Fenster“ (1942), „Die Tote im See“ (1943), „Die kleine Schwester“ (1949), „Der lange Abschied“ (1953) und „Playback“ (1958). Daneben schrieb Chandler mit geschliffenen Dialogen gespickte Drehbücher für Hollywood- und Noir-Klassiker wie Billy Wilders „Frau ohne Gewissen“ (1944), George Marshalls „Die blaue Dahlie“ (1946) und Alfred Hitchcocks „Der Fremde im Zug“ (1951).
Chandler verlieh dem Kriminalroman eine ästhetische Dimension und schuf mit Philip Marlowe den Archetypus des unbestechlichen „private eye“. Vor allem aber sind es Sätze wie „Es war eine Blondine. Eine Blondine, wegen der ein Bischof ein Loch ins Kirchenfenster getreten hätte“, die seine Leser immer wieder zu ihren zerfledderten Paperback-Bänden greifen lassen, ohne die eine gute Kriminalbibliothek nicht vollständig wäre. Chandler, so viel steht fest, macht süchtig. Denn: „Keine Falle ist so tödlich wie die, die man sich selber stellt.“
 

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